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Arbeitsklima in Neuseeland: Was schätzen die Kiwis an ihrem Arbeitsplatz?

Fröhlich summende Angestellte, Gelächter, eine entspannte Atmosphäre – so sieht der ideale Arbeitsplatz in Neuseeland aus. Anders als in Deutschland zählen nicht nur Pünktlichkeit und Ausbildung. Was können also deutsche Arbeitskräfte, die in Neuseeland einen Job anfangen, erwarten?

Erst kürzlich wurde in der neuseeländischen Presse die neuste Studie des weltweit größten HR-Unternehmens Aon Hewitt veröffentlicht, die deutlich zeigt, welche australischen und neuseeländischen Arbeitgeber von den Arbeitnehmern am meisten geschätzt werden. In der Untersuchung wurden die besten Arbeitgeber beider Länder für das Jahr 2012 gewählt. Einer der Spitzenreiter war die Telekom-Tochter Chorus, welche Neuseeland mit Telekommunikations-Technikern versorgt. Die Firma hat kaum Personalfluktuation, 85 Prozent der Mitarbeiter sind überengagiert und das Unternehmen kann sich vor Bewerbungen kaum retten. „Warum sollten wir nicht alles daran setzen, ein positives Arbeitsklima zu schaffen?“, erklärt die Personalchefin Sara Broadhurst die Unternehmensstrategie der Firma. „Jeder Arbeitgeber wäre extrem ungeschickt, wenn er es nicht versuchen würde!“

Auch Neuseeland-Experte Peter Hahn hat die Erfahrung gemacht, dass viele neuseeländische Firmen auf weniger Bürokratie und dafür auf mehr Menschlichkeit setzen: „Die Telekom hat eigentlich einen sehr schlechten Ruf, aber scheinbar hat das Tochterunternehmen da einige Philosophien besser umgesetzt. Ein Kunde von mir sagte einmal ‘Wir arbeiten wirklich hart in Neuseeland und verdienen viel weniger Geld als in Deutschland, dafür lachen wir aber auch viel mehr!’ Ein Drittel Verdiensteinbuße beim neuseeländischen Gehalt im Vergleich zum deutschen ist hier gang und gäbe“, erläutert der erfolgreiche Immigrationsberater. Der Lohn treibt folglich die wenigsten Deutschen nach Neuseeland.

Die Aon Hewitt Studie zeigt mit der Untersuchung von über 74.000 Angestellten aus 165 australischen und neuseeländischen Firmen deutlich: Die besten Arbeitgeber der Liste erzielen mit einem positiven Arbeitsklima auch positive wirtschaftliche Resultate. Jeder einzelne Angestellte erzielt hier durchschnittlich bis zu acht Prozent mehr Gewinn und so kann das Umsatzwachstum der Firma im Gegensatz zu anderen Konzernen verdoppelt werden.

„Die Methoden sind eigentlich simpel – wir schaffen einfach eine Arbeitskultur, bei der die Angestellten jeden Tag gerne ins Büro kommen, der Rest regelt sich dann von selbst“, erläutert der Firmenvorstand Craig Morrison der Southern Cross Travel Insurance Ltd., einem weiteren Gewinner der Studie. Chorus Angestellte halten jeden morgen den „daily heartbeat“ ab, eine nationale Internetkonferenz, in der jeder Angestellte zu Wort kommen kann. Gemeinsame Konferenzen mit allen Mitarbeitern des Landes informieren jeden über die neuesten Entwicklungen und Firmenziele. Es gibt viele Strategien, damit jeder Einzelne im Unternehmen letztendlich am gleichen Strang zieht. Firmenwerte und Unternehmensphilosophien spielen eine wichtige Rolle, zeigt die Studie. Und beispielsweise bei Chorus werden diese von Teams erarbeitet und nicht von oben vorgegeben. Klare Erwartungshaltungen, eine gute interne Kommunikation und Verdienste und Auszeichnungen für besonders gute Arbeit seien weitere gute Möglichkeiten, die Angestellten zu vereinen und dauerhaft zu motivieren.

Auch die Reisebürokette „Flight Centre“ baut auf eine ganz eigene Taktik. Hier steht die Gleichberechtigung im Mittelpunkt. Die Personalchefin Sue Matson hat diese Woche Geschirrspüldienst in Neuseeland, während der weltweite Firmengründer, Vorstandschef und Mulitmillionär Graham Turner zur gleichen Zeit in Brisbane, Australien, das Geschirr in den Spüler räumen muss. „Wir sind eine Einheit. Jeder trägt die gleiche Uniform, keiner hat eine Sekretärin oder persönliche Assistenten, ein eigenes Büro oder einen Firmenwagen. Es kam auf Dienstreisen schon öfter vor, dass Air New Zealand meinen Sitzplatz in die Business Class upgraden wollte. Da habe ich dankend abgelehnt. Bei uns ist jeder gleich“, erklärt Sue Matson. Zudem setzt das Unternehmen auf besondere Anerkennung und Vergütung von guten Leistungen in Form von Sonderzahlungen. „Ein Großteil unseres Gehaltes basiert auf Motivationsanreizen und Kommissionen.“ Auch das international operierende Logistikunternehmen FedEx moviviert mit Cash-Bonus-Zahlungen. Ein weiterer Gewinner der Studie war Seek, die Online-Job-Börse in Neuseeland.

„Hier fehlt in vielen Unternehmen ein bisschen diese klischeehafte deutsche Arbeitsmoral, die besonders auf Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Konkurrenzkampf basiert. Das heißt nicht, dass in Neuseeland nicht ordentlich gearbeitet wird, nur eben mit einer anderen Einstellung“, erklärt Peter Hahn das lockere Arbeitsklima in vielen Unternehmen. „Für die meisten Kiwis ist es eben wichtig, genügend Zeit für die Familie zu haben, zu reisen und Urlaub zu machen, zum Sport zu gehen oder sich einfach mal ein Jahr Auszeit zu gönnen oder etwas ganz anderes zu machen. Die Ambition zu arbeiten kommt zwangsläufig, um ein Einkommen zu generieren. Doch der Spaß bei der Arbeit darf dabei nicht fehlen, sonst wechselt man eben den Job.“ Eine typisch deutsche Ambition zu arbeiten, sei beispielsweise ein teures Auto fahren zu können. „Natürlich gibt es auch Berufe in Neuseeland, wie beispielsweise den des Rechtsanwaltes, bei dem in der Kanzlei genauso hart und mit vielen Überstunden geschuftet wird wie in allen Ländern der Welt“, gibt Peter Hahn zu bedenken. Doch für viele Auswanderer sei der Kiwi-Lifestyle, der sich häufig auch in der Arbeitswelt widerspiegelt, einer der Anreize für eine Immigration nach Neuseeland.

Interessant ist jedoch, selbst wenn Neuseeländer ihr sogenanntes „großes OE“, die „overseas experience“, beispielsweise in England absolvieren, sind sie in Europa gern gesehene Arbeitskräfte – gerade wegen ihrer relaxten Mentalität. „’Work hard, party hard’, so könnte man das neuseeländische Klischee von einer guten Arbeitskraft bezeichnen“, erläutert der Neuseeland-Experte lachend.

Schon bei dem Blick in viele Bewerbungspapiere kann man die landestypischen Unterschiede bei der Arbeitsmoral erkennen: „Ein ganz klassischer Bestandteil in einem deutschen Arbeitszeugnis ist immer irgendein Absatz über die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des Arbeitnehmers. So etwas würde man in einem neuseeländischen Zeugnis niemals finden, auch wenn der Angestellte immer pünktlich war!“, so Peter Hahn schmunzelnd. Kiwis arbeiten eben, um leben zu können, während viele Deutsche leben, um zu arbeiten!

Welche neuseeländischen Firmen besonders gut bei der Aon Hewitt Studie abgeschnitten haben, kann man hier nachlesen.

 

  1. Tomas says:

    Danke für die Informationen, es ist sehr sachlich geschrieben.
    Grüße aus Österreich

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