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Immer mehr Kiwis wandern ab: Fakten, Folgen und Auswirkungen auf die Immigrationspolitik

Neuseelands Bevölkerungstrend zeigt seit vielen Jahren eine deutliche Abwanderung von Kiwis nach Australien, in die USA und nach Europa. Dieses Phänomen wird oft als „brain drain“, bezeichnet, der Strom von ausgebildeten Fachkräften in andere Länder. Schätzungen zufolge leben gut eine Million Neuseeländer im Ausland.

Nach der neusten Statistik, ist besonders die Abwanderung von Kiwis nach Australien so hoch wie nie zuvor. Über 50.000 Neuseeländer wanderten im vergangenen Jahr allein ins Nachbarland ab. Als Gründe für diesen Trend vermuten Experten nicht nur die Erdbeben in Christchurch, sondern auch die schwierige wirtschaftliche Lage weltweit. „Es gehört eben auch jede Menge Psychologie dazu, wenn die eigene Wirtschaft im Land nicht so gut zu laufen scheint. Und Fakt ist, in Australien werden oft höhere Gehälter bezahlt als in Neuseeland“, erklärt Russel Norman Parteivorsitzender der Grünen. „Allerdings sind dort die Höchststeuersätze auf das Einkommen mit 45 Prozent auch wesentlich höher angesetzt als bei uns in Neuseeland mit 33 Prozent“, bemerkt er abschließend.

Der Mineralsektor in Australien boomt, während die neuseeländische Wirtschaft nur einen schleppenden Aufschwung erlebt. Neuseeland-Experte Peter Hahn kennt die Beweggründe vieler Kiwis, die wegziehen: „Das große OE, overseas experience“ ist keine neue Erscheinung, sondern wird seit Jahrzehnten so praktiziert. Es ist sozusagen schon fest in der Mentalität der Menschen hier verankert. Neuseeland ist ein vom Rest der Welt abgelegenes Land und wer wünscht sich nicht, einmal über den Tellerrand zu blicken? Fast jeder junge Neuseeländer möchte zur oder nach der Ausbildung im Ausland Erfahrung sammeln. Viele gehen auch erst einmal als Backpacker auf Weltreise. Und oft ist diese Auslandserfahrung auch unglaublich wichtig, um später im eigenen Land bessere Chancen zu haben.“

Doch die Abwanderung von Neuseeländern ins Ausland wird kontrovers diskutiert. Denn einige der Kiwis kommen später mit guten Ersparnissen, den gesammelten Erfahrungen und erweiterten Fähigkeiten zurück nach Neuseeland und bringen ihrer Heimat dadurch großen Gewinn. „Ich denke das kommt oft auf die Perspektive an“, kommentiert Peter Hahn das Phänomen. „Überall heißt es, man soll sich weltweit vernetzen. Neuseeland ist eines der westlichen Länder, das durch diese stetige Zu- und Abwanderung wohl am stärksten mit dem Rest der Welt verlinkt ist. In allen Erdteilen wohnen Kiwis. Und wenn Neuseeländer in ein fremdes Land ziehen, können sie sich die Kontakte zu anderen Landsleuten, die bereits vor Ort sind, zunutze machen. Auch, wenn sie schließlich in ihre Heimat zurückkehren, bleiben die neu gewonnenen Kontakte bestehen. Und diese weltweiten Beziehungen können sich wahrlich auszahlen!“

Durch immer mehr Abkommen zwischen den Ländern wird es zudem für verschiedene Berufssparten auch immer leichter, im Ausland zu arbeiten. So können beispielsweise neuseeländische Ärzte ohne eine weitere Berufszulassung in Australien und England praktizieren.

„Wir stecken viel Geld in die qualitativ hochwertige Ausbildung unseres Nachwuchses und wenn sie am Anfang ihres Berufslebens wegziehen, ist dieser Wert eben erst einmal verloren“, gibt Grünenvorsitzender Russel Norman zu bedenken. Man versuche zwar durch qualifizierte Immigranten den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt zu denken, doch diesen Einwanderern fehle dann das regionale Wissen in Neuseeland.

Mit der gezielten neuseeländischen Immigrationspolitik versucht man dennoch gezielt, die Lücken, die durch abgewanderte Kiwis entstehen, mit qualifizierten Fachkräften aus aller Welt zu füllen. „Ich denke, dass sich Einwanderer dieses fehlende Wissen sehr schnell aneignen und zudem noch einen Enthusiasmus und Ehrgeiz für ihren Neustart mitbringen, dass sie so als guter Ausgleich für die abgewanderten Neuseeländer gesehen werden können“, erläutert Peter Hahn. „Interessant ist allerdings, dass es früher sehr viele Handwerksberufe auf den Skill Shortage Listen gab. Derzeit gehören nur noch wenige Handwerke wie das des Automechanikers, Gerüstbauers oder Elektrikers zu den gesuchten Berufen“, berichtet Einwanderungsberater Peter Hahn.

Nach langen Verzögerungen scheint jetzt jedoch der Wiederaufbau in Christchurch zu beginnen, welches einen Anstieg des Bedarfes in allen Berufen der Baubranche auslösen könnte. Im März stellte die National Bank in ihrem regionalen Umfragetrend fest, dass Christchurch mit 2,8 Prozent Gewinnzuwachs der Ort in Neuseeland war, an dem am meisten Wachstum stattfand.

Könnte das bedeuten, dass in absehbarer Zukunft Handwerker wieder mehr Chancen haben, in Neuseeland ein work-visa zu bekommen? „Ich hatte erst kürzlich einen Tischler, der im Küchenbau arbeitet und verzweifelt in ganz Neuseeland nach einem Job gesucht hat. In Christchurch hat er ihn gefunden. Sein Arbeitgeber hatte bereits seit einigen Wochen nach einer geeigneten Arbeitskraft auf dem heimischen Markt gesucht, jedoch niemanden gefunden. Mit diesem Nachweis bekam mein Klient ein 2-Jahres-work-visa vom Immigration-Office“, berichtet Peter Hahn von seinen Erfahrungen. Ähnliches Glück hatte eine deutsche Angestellte in einer Bäckerei in Christchurch, die ohne spezielle Qualifikationen nach einem Work-and-Travel-Visum ein weiteres Arbeitsvisum für ihren Bäckereibetrieb bekam. „Mein Eindruck ist derzeit, dass der Aufbau in Christchurch nun tatsächlich beginnt und somit auch die Immigrationsbehörde versucht, die Unternehmen dort vor Ort zu stützen“, meint Peter Hahn. „Gerade für Anträge im Handwerksbereich ist die „Immediate Skill Shortage“-Liste für mich sehr wichtig. Wenn der Beruf meines Kunden auf dieser Liste steht und er einen Arbeitsplatz in seinem Gebiet findet, ist ein work-visameist kein Problem. Nach einem Jahr „Skilled Employment“in Neuseeland, wird ihm dann in der Regel der Englischtest, der für viele Handwerker eine große Hürde ist, erlassen, sodass auch ein Antrag auf Permanent Residence möglich wird.“

Mittlerweile existiert sogar eine eigene Skill Shortage Liste für Christchurch. Momentan sind dort jedoch kaum Berufe zu finden, die nicht auch auf der nationalen Liste der gesuchten Berufe stehen. „Jetzt wenn der Wiederaufbau in Canterbury tatsächlich voran geht, könnte man erwarten, dass bei all der Abwanderung des inländischen Baufachpersonals bald Berufe in der Baubranche auf dem internationalen Markt gesucht werden. Dann hätten auch deutsche Handwerker gute Chancen, in Christchurch oder auch anderswo in Neuseeland ein work visa zu bekommen!“

50.000 Einwanderer aus verschiedenen Kategorien lässt Neuseeland jedes Jahr ins Land. Könnte es nicht, bei all der Abwanderung von Kiwis, sogar eine baldige Quotenerhöhung geben? „Früher lag die Zahl der möglichen Einwanderungen einmal bei gut 40.000. Doch ich erwarte nicht, dass diese Quote aufgrund der starken Abwanderung von Kiwis weiter angehoben wird“, erklärt Peter Hahn seine Sichtweise der momentanen Situation. „Es ist ein wirklicher Balanceakt, die Lücken durch Immigranten zu füllen und dennoch den lokalen Arbeitsmarkt zu schützen! Und eine Quotenerhöhung lässt sich momentan politisch einfach nicht verkaufen.“

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