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Nach Neuseeland auswandern und dann?: Chancen und Nutzen einer kleinen Wirtschaft

„Ich bin richtig stolz“, erklärt Brendan Lindsay als er erfahren hat, dass sein Produkt als Gewinner der „Auckland Exporters of the Year Awards 2011“ gewählt worden ist. „Das ist für eine Firma wie uns wirklich aufregend!“
Der Neuseeländer stellt in seinem Unternehmen Plastikbehälter her, Vorratsdosen, Gefrier- und Mikrowellengefäße. Jeder neuseeländische Haushalt benutzt sie, doch nur wenige wissen, dass sie auch in Neuseeland produziert werden, genauer gesagt in Penrose, einem Stadtteil von Auckland. „Als wir anfingen, suchte ich nach einem Namen, der nach tollem europäischen Design klingt und so kamen wir auf „Sistema“, den italienischen Begriff für System“, erzählt Brendan rückblickend. Europäischer Trend als Verkaufsstrategie? Der Kiwi wurde über die Jahre eines Besseren belehrt.

Den Mythos, Plastik müsse aus Asien kommen, hat er längst widerlegt. Sein Werdegang lässt sich sehen. Jedes Jahr konnte sein Unternehmen einen Gewinnzuwachs von gut 20 Prozent verzeichnen, in den letzten beiden Jahren sogar 80 Prozent. „Unser Hauptmarkt ist schon lange nicht mehr Neuseeland. Wir liefern in die Vereinigten Staaten, nach England, Kanada, Südamerika aber erstaunlicherweise auch in asiatische Länder wie Japan, die Philippinen oder Thailand“, berichtet der neuseeländische Unternehmer stolz.

Was an seinem Werdegangs am interessantesten ist: nicht der italienische Name „Sistema“ hat überzeugt, sondern der Fakt, dass die Waren „Made in New Zealand“ sind!

Neuseeland-Experte Peter Hahn kennt diesen Faktor und zahlreiche Bespiele, die genau das bestätigen. „Made in New Zealand ist es, was neuseeländische Unternehmen auf dem Weltmarkt beliebt macht, ein Image. Diese positive Assoziation mit Neuseeland ist ein hervorragendes Branding für Produkte“, erklärt er. „Neuseeland ist weder historisch noch in der Gesellschaft mit irgendwelchen negativen Klischees behaftet.”

Aus diesem Grund gilt das Land als attraktiver Standort vor allem für kleinere Unternehmen. Viele Firmen suchen sich ihre Hauptmärkte dann außerhalb des Landes. „Neuseeland hat eine sehr kleine Wirtschaft. Das müssen viele Europäer die hierher kommen erst lernen. Hier ist „small business big business“. Etwa 85 Prozent aller Unternehmen des Landes haben weniger als fünf Angestellte und circa 96 Prozent haben weniger als 20 Angestellte. Da fängt in Deutschland der Mittelstand erst an“, gibt Peter Hahn zu bedenken. Nur ungefähr ein Prozent aller Firmen hat über 100 Angestellte, wie Sistema.

Doch was zeichnet die neuseeländische Wirtschaft aus? Fast jeder weiß, dass die Hauptwirtschaftsfaktoren Landwirtschaft und Tourismus ausmachen. Doch das ist noch nicht alles. „Im Doing Business Report von 2011, der von der International Fincance Corporation IFC und der Weltbank herausgegeben wird, rangiert Neuseeland im Vergleich von 183 Ländern auf Platz drei“, verrät Peter Hahn. „Das bedeutet, hier kann man ein Unternehmen so unkompliziert gründen und führen wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Mit nur einem Dollar Startkapital kann man hier rein theoretisch eine Ltd. vergleichbar einer deutschen GmbH gründen.  Das hat natürlich viele Vorteile auch für Einwanderer.“

Doch was bedeuten diese Faktoren für potenzielle Einwanderer nach Neuseeland?

Die Regierung hat ein komplexes Einwanderungssystem geschaffen, um mit Hilfe der Einwanderer die hiesige Wirtschaft anzukurbeln, zu unterstützen. „Einwanderer müssen sich nicht nur integrieren können, sondern in irgendeiner Form für den Staat von Nutzen sein“, erklärt Einwanderungsberater Peter Hahn die Lage.

Deshalb starten viele Immigranten als Angestellte in Firmen, ihr Ziel ist es jedoch, langfristig selbst ein Unternehmen zu gründen und sich selbstständig zu machen. Und nicht nur die gesetzlichen Richtlinien machen das zunächst recht einfach, auch die Tatsache, dass es wenig große Arbeitgeber gibt. Und da starten dann einige Erfolgsgeschichten. „Das heißt natürlich nicht, dass jeder, der hier ein Geschäft aufmacht, auch Erfolg hat. Innovation, Geschäftssinn und das nötige Fingerspitzengefühl gehört sicherlich dazu. Man muss sich geschickt von internationalen und großen Firmen abgrenzen“, betont Peter Hahn.

So stolperte der damals 24 Jahre alte Kiwi Jeremy über die Produkte eines neuseeländischen Merino-Schaf-Farmers. Heute ist seine Firma Icebreaker international vertreten und bekannt für komfortable Outdoor-Bekleidung aus weicher strapazierfähiger Wolle, die direkt auf der Haut getragen werden kann.

„Wenn wir eine Liste mit kleinen Unternehmen aufstellen würden, die richtig erfolgreich geworden sind, fallen mir zig Beispiele ein“, so der Neuseeland-Experte. „Für Ausländer ist es allerdings noch einmal einen Schritt schwieriger, hier Fuß zu fassen. Alles ist neu – ein neuer Markt, andere Gepflogenheiten, ein neues Rechts- und Steuersystem, keine Beziehungen.“

Die meisten erfolgreichen Karrieren von deutschen Auswanderern haben deshalb erst nach zahlreichen Jahren Aufenthalt in Neuseeland begonnen. „Viele meiner Kunden waren bereits zehn oder mehr Jahre in Neuseeland, bevor sie den Markt richtig kannten und es dann gewagt haben, sich selbstständig zu machen.“

Die Entrepreneur Category als Einwanderungsmethode, also sich mit einem Unternehmen in Neuseeland selbstständig zu machen, sieht Peter Hahn nur in seltenen Fällen als Ideallösung. „Dort gibt es viele Auflagen und alle Investitionen stellen ein gewisses Risiko dar. Visa werden zunächst nur temporär ausgestellt. Wenn es irgendeine andere Möglichkeit der Einwanderung gibt, würde ich die in der Regel bevorzugen“, erzählt der langjährige Einwanderungsberater aus Erfahrung.

Was in Neuseeland sicher auch eine nicht unwichtige Rolle spielt – jeder, egal welchen Alters hat gleiche Voraussetzungen. Die Produktpalette auf dem inländischen Markt ist noch nicht voll ausgereizt. „In Neuseeland kann jeder sich noch einmal neu erfinden. Viele starten irgendwann etwas völlig anderes, als sie in Deutschland gemacht haben!“ Sich neu erfinden und noch einmal von vorne anfangen zu können – dafür bietet Neuseeland die richtigen Voraussetzungen.

Die Erfolgsgeschichte von Brendon Lindsay von Sistema ist nur eine von vielen. Doch anders als bei vielen Unternehmen in Europa möchte er die Produktion auch in Zukunft in Auckland platziert sehen. „Klar könnte ich das Produkt einfach 30 Prozent billiger anbieten und in Asien herstellen lassen. Aber darum geht es nicht. Mir ist Neuseeland, meine Heimat, als Produktionsstandort und unser Label „proudly made in New Zealand“ wichtig und meine 300 Angestellten wären sonst auch arbeitslos. Solange ich lebe, bleibt Sistema in Neuseeland!“

Autorin: Anja Schönborn

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