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Neuseeland als Neuanfang?: Ein Blick auf Neuseeland’s Wirtschaft

Die neuseeländische Regierung hat ein komplexes Einwanderungssystem geschaffen, um die gut zu integrierenden Einwanderer in das Land zu lassen. Ihre Zielgruppe sind Antragsteller, die der neuseeländischen Wirtschaft von Nutzen sein können. Anhand eines komplexen Punktesystems wird versucht, alle Einwanderungsinteressierten zu filtern. Doch funktioniert dieses System tatsächlich?

Einwanderungsberater Peter Hahn hat zahlreiche Kunden, die in Neuseeland noch einmal von vorne anfangen möchten, oft auch beruflich. „Ob IT oder Baugewerbe, viele meiner Kunden möchten einfach den Lifestyle in Neuseeland genießen und sich hier selbst verwirklichen. So wird hier aus dem Zweiradmechaniker ein Vermögensberater und aus einem IT-ler ein erfolgreicher Veranstaltungstechniker. In Neuseeland ist so ein Neuanfang durchaus realistisch“, erklärt der Experte. „Das liegt schon unter anderem daran, dass es in Neuseeland wirklich einfach ist, ein eigenes Geschäft zu gründen.“ Weniger Paragraphen, kaum erforderliches Grundkapital und eine unvoreingenommene Gesellschaft bieten hierfür die beste Grundlage. Auch der „Doing Business Report 2011“ der International Finance Corporation (IFC) und der Weltbank bestätigen diesen Faktor. Neuseeland rangiert unter 181 Ländern weltweit auf Platz 3. „Für Neuseeland-Interessierte stellt sich häufig die Frage, was sie dann letztendlich für wirtschaftliche Möglichkeiten im neuen Land vorfinden. Natürlich wissen die meisten, dass Landwirtschaft und Tourismus die beiden Hauptwirtschaftsfaktoren sind. Aber das ist nicht alles“, weiß Peter Hahn. „Auch die Konzentration auf geschäftliche Nischen hat sich in vielen Bereichen als Erfolgsgeschäft entpuppt.“ So werden derzeit beispielsweise immer mehr internationale Spezialisten im Bereich der Forschung gesucht. In Neuseeland hat schon der ein oder andere findige Geschäftsmann ein Plastikdosen-Business oder neue Offroad-Skates zum internationalen Erfolg geführt. „Wo sich die Deutschen eher mit Zuverlässigkeit und Effizienz schmücken, sehen die Kiwis sich als äußerst erfindungsfreudig. Schon durch seine isolierte geografische Lage aber auch durch ein anderes Schulsystem werden selbst die Kleinsten dazu angehalten, den Geist zu nutzen, um Neues zu kreieren“, so der Neuseeland-Fachmann. „Das führt zu einem ganz eigenen Entrepreneurtum. Viele kleine Geschäftsideen werden zunächst ohne große Investitionen einfach ausprobiert. Die Gesellschaft steht dieser Art des Unternehmertums dabei offen und unvoreingenommen gegenüber. So starten unzählige neuseeländische Erfolgsgeschichten in der Garage oder dem eigenen Hinterhof.“ Geschäftsbesprechungen finden tagtäglich in Cafés statt, kaum ein mittelständisches Unternehmen besitzt einen Konferenzraum. Und ob man erfolgreich ist oder nicht zeigt definitiv nicht der Porsche vor der Tür, der neuste Designeranzug des Bosses oder ein glitzerndes Firmen-Logo. „Auch wenn man keinen Meisterbrief vorlegen kann aber gute Arbeit leistet, wird man in Neuseeland akzeptiert“, erklärt Peter Hahn die Mentalität der Kiwis. So machte der holländische Einwanderer Daan Kolthoff beispielsweise einfach sein Hobby zum Beruf und stellt heute erfolgreich Baskenmützen her. „Wir haben das Business zunächst mit einem Blog getestet und das Resultat war wirklich beeindruckend. Ein so hohes Interesse hatten wir nicht erwartet. Viele Leute wissen einfach nicht, wo sie die wohl auszusterben scheinenden Kopfbedeckungen in guter Qualität herbekommen.“ Heute verkauft er über 1.000 Baskenmützen im Jahr in alle Welt. Der zum „Neuseeländer des Jahres 2010“ gekürte Wissenschaftler und Erfinder Sir Ray Avery brachte die Situation erst kürzlich treffend auf den Punkt: „Wir Neuseeländer sind hervorragend im Erfinden, nur mit der Vermarktung tun wir uns schwer. Wir waren die ersten die geflogen sind, haben die Mikrowelle erfunden, usw. Nur andere Nationen waren einfach geschickter dies publik zu machen und die Erfindungen dann auch finanziell zu nutzen und zu Geld zu machen!“ Ein Teil der neuseeländischen Firmen schafft es auf diese Weise tatsächlich zum Erfolg, doch großes Aufsehen erregen die wenigsten. „Oft benötigen dann genau diese Unternehmen letztendlich Spezialisten, die sie im eigenen Land nicht finden können und im Ausland rekrutieren. Oder die Geschäftsidee erfordert eine finanzielle Investition, welche die Kiwis selbst nicht leisten können. So werden dann so genannte „Angel-Investments“ gesucht, sprich Investoren, die auf eigenes Risiko in diese Idee Geld stecken – das sind dann manchmal auch Geldgeber aus dem Ausland.“ Die neuseeländische Mentalität und die Faktoren im Land können so letztendlich auch für Einwanderer wieder interessant werden. Neuseeland als kleine Nation kann oft den steigenden Bedarf an Spezialisn alleine nicht decken. Der Einkauf in ein neuseeländischen Unternehmen könnte der erste Schritt zur Einwanderung bedeuten. Ist Neuseeland also das geeignete Ziel, sich selbst zu verwirklichen? „Wer aus beruflichen Gründen hierher kommt, um Lücken zu füllen, kommt mit der neuseeländischen Einwanderungspolitik vielleicht leichter ins Land. Allerdings werden diese Einwanderer nicht immer glücklich hier. Diejenigen hingegen, welche genau die Freiheiten Neuseelands suchen, sich verändern wollen und sich gut integrieren könnten, haben es jedoch einwanderungstechnisch oft schwierig“, kritisiert Peter Hahn die neuseeländische Einwanderungspolitik. „Es ist natürlich leichter, einem Antragsteller mit geradlinigem Lebenslauf und einem in Neuseeland gesuchten Beruf zur Residency zu verhelfen, als einem Schuhverkäufer, der sich in Neuseeland als Farmer versuchen möchte“, erläutert Peter Hahn seine Erfahrungen. Dennoch findet der Einwanderungsberater oft Wege, auch den nach Freiheit suchenden Deutschen zur Auswanderung zu verhelfen. „Jeder Fall ist wirklich sehr individuell. Wir haben aber schon einigen Kunden beim Auswandern helfen können, die, nachdem sie die Residency hatten, dann mit etwas ganz anderem noch einmal von vorne angefangen haben. Sie konnten sich so auch in fortgeschrittenem Alter ihren langjährigen Traum erfüllen!“ Und der wohl entscheidende Punkt – sie haben sich in Neuseeland hervorragend integriert und sind rundum glücklich. Wenn man auf Umwegen zum Ziel gelangen kann, funktioniert das System dann doch?

Autorin: Anja Schönborn, Wellington

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