• facebook
  • twitter
  • youtube
  • flickr
category-daily-news

Wiederaufbau Christchurch: Einwanderungschance für Bewerber aus der Baubranche?

Gut eineinhalb Jahre nach den Erdbeben in Canterbury auf der Südinsel Neuseelands beginnt nun zögerlich der Wiederaufbau. Der Erdbebenminister, der Bürgermeister, der gegründete Earthquake Recovery Fund und auch die Versicherungen haben wichtige Schritte eingeleitet, der Komplett-Abriss zahlreicher Gebäude im Zentrum von Christchurch ist bereits vollzogen. Eigentlich sollte dem Wiederaufbau der einst britisch geprägten Stadt nichts im Wege stehen, doch die Bauarbeiten beginnen nur zögerlich.

Liegt es an zu wenig Personal, an ausstehenden Versicherungszahlungen? „Ich denke im privaten Wohnbereich sind viele Abrisse und Umzüge bereits vollzogen. Mit den gewerblichen Gebäuden in der Innenstadt kann so eine Abwicklung häufig etwas länger dauern“, vermutet Neuseeland-Experte Peter Hahn. „Die Baubranche an sich ist durch die Weltwirtschaftskrise und die Entwicklungen in Europa auch in Neuseeland derzeit am Boden.“

Viele Immigrations-Bewerber, die in der Baubranche tätig sind, hoffen nun auf einen Arbeitsplatz in Canterbury und sehen den Wiederaufbau als ihre Chance, in Neuseeland Fuß zu fassen. Doch bislang ist der Bedarf an mehr Arbeitskräften auf dem internationalen Markt noch nicht festzustellen. Ein Bauingenieur und Statiker aus Südafrika kam auf Anraten nach Neuseeland und findet nun keine Arbeitsstelle. „Ich möchte mich wirklich am Wiederaufbau in Christchurch beteiligen aber Immigration New Zealand stellt einfach kein Arbeitsvisum aus“, beklagt er sich und versteht die Welt nicht mehr. 39 Anträge auf „Work Visa“ in der Baubranche in Canterbury wurden seit Juli 2011 von der Behörde abgelehnt.

Für den deutschen Einwanderungsberater Peter Hahn ist dies nicht weiter verwunderlich: „Immigration hat hier zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen. Zum einen sollen sie die Lücken auf dem heimischen Arbeitsmarkt durch internationale Fachkräfte füllen, zum anderen aber müssen sie ihn schützen!“ Für Baufirmen in Canterbury bedeutet dies, dass sie nur internationales Personal aus Übersee einstellen können, wenn sie keine adäquate Fachkräfte in Neuseeland finden, denn Ausländer bekommen dann schlichtweg von Immigration New Zealand keine Arbeitserlaubnis.“

Eine der Großbaufirmen, Fletcher Building, die per Vertrag für den Wiederaufbau von Christchurch von der Earth Quake Commission eingesetzt wurde, erklärt ihre Ausgangsposition ähnlich. „Wir haben bereits 1066 Baufirmen bei uns unter Vertrag, das sind derzeit genau 13.891 Arbeitnehmer“, erklärt David Peterson. „Davon sind derzeit jedoch nur 30 internationale Angestellte, die mit einem ‘Work Visa’ hier arbeiten. Wir wollen auch wirklich die lokalen Kräfte aus der Region bevorzugen, sie haben schon durch die Beben genug mitgemacht und kennen ihre Stadt am besten. Als nächstes suchen wir dann auf der Südinsel und erst dann in ganz Neuseeland. Nur wenn wir tatsächlich niemanden im Land finden, sehen wir uns die Bewerber von Übersee an. Allerdings werden wir in absehbarer Zeit mindestens noch einen Pool von 1000 weiteren Fachkräften benötigen und wo die herkommen, ist noch nicht klar.“

Laut des Earthquake Ministers Gerry Brownlee, würden ausländische Bewerber nur bevorzugt, wenn sie außergewöhnliche und bessere Qualifikationen vorweisen könnten als die heimischen Fachleute. „Wir haben die Immigration Officer angewiesen, bei Bewerbungen für die Baubranche in Canterbury mit einem hohen Grad an Flexibilität an ihre Entscheidungen heranzugehen!“, erklärt Brownlee in einem Interview mit Radio New Zealand.

Immigrationsberater Peter Hahn kann diese Vorgehensweise nur bestätigen. Er hat bereits Kunden aus der Baubranche erfolgreich zu Arbeitserlaubnis und Residency verholfen. „Ich habe persönlich durchaus das Gefühl, dass Bewerber, die nach Christchurch gehen wollen und in der Baubranche tätig sind, bessere Chancen haben, ihre Anträge bewilligt zu bekommen als andere Kandidaten, die woanders suchen. Man hat hier einfach als Immigrationsberater ein bisschen mehr Argumentationsspielraum. Letztendlich brauchen die Einwanderungswilligen aber ein Jobangebot – das ist für Handwerksberufe in der Baubranche derzeit unabdingbar.“

Doch für Handwerksberufe war die Einwanderung nicht immer so schwierig. Noch vor ein paar Jahren machten sie den Hauptkundenstamm des langjährigen Immigrationsberaters aus Wellington aus und hatten beste Chancen, in Neuseeland Fuß zu fassen. „Diese klassische Einwanderung ist heute eher ungewöhnlich geworden. Früher konnte ich den Kunden mit gutem Gewissen raten, hierher zu kommen und sich dann einen Job zu suchen“, erklärt Peter Hahn das Prozedere, welches noch vor einigen Jahren üblich war. „Dann haben wir ein ‘Work Visa’ beantragt und auch bekommen. Nach einem Jahr entfiel dann meist der für Handwerker oft schwierige Englischtest und wir konnten ohne Probleme das ‘Residence’-Vuisum beantragen, die Einwanderung war damit unter Dach und Fach. Heute ist das leider nicht mehr ganz so einfach.“

Bewerber aus der Baubranche haben es heute schwieriger, trotz des Wiederaufbaus von Christchurch. „Das heißt nicht, dass die Lage aussichtslos ist, ganz und gar nicht. Aber die Garantie, dass sie tatsächlich hier einen Job finden, kann ich ihnen eben nicht mehr geben. Sie müssen diesen Schritt auf eigenes Risiko unternehmen. Oft ist jedoch selbst mit Job-Offer kein leichtes Unterfangen mehr, ein Work Visa zu bekommen. Die Residency bekomme ich dann eher durch als die Arbeitserlaubnis. Nur das dauert im Normalfall zwischen drei und sechs Monaten und so lange möchten viele Arbeitgeber leider nicht warten – vor allem nicht in der schnelllebigen Baubranche.“

Immigrations-Experte Peter Hahn ist jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Beratern bekannt für seine realistische Einschätzung. „Ich möchte schon noch einmal deutlich machen, dass wir in den letzten Monaten mehrere Anträge vor allem in Christchurch durchbekommen haben! Man sollte nur von vornherein nicht mit der falschen Erwartungshaltung an die Sache heran gehen. Und ich kann mir gut vorstellen, wenn der Wiederaufbau erst einmal richtig in Gang kommt, dass die Lage dann ganz schnell wieder anders aussieht. Berufe in der Baubranche könnten dann sogar auf die eigens für Canterbury eingerichtete Shortage Skill Liste kommen. Es ist nur derzeit noch nicht absehbar, wann das passieren wird!“

  1. Der Wiederaufbau vollzieht sich wirklich erstaunlich schleppend. Eigendlich kenne ich die Kiwis als kurzentschlossen, anpackend und wagemutig. Aber bei meinem jüngsten Besuch in Christchurch, seit vielen Jahren meine Lieblingsstadt in NZ, hatte eher den Eindruck, als wäre man mutlos, vielleicht auch zermürbt durch die vielen Nachbeben mit immer neuen Schäden. Viele Einwohner verlassen die Stadt für immer. Ich verließ die Stadt mit dem beklemmenden Gefühl, dass es wohl Jahrzehnte dauern wird, bis eine Normalität eintreten kann und bin im Geiste immer bei meinen guten Freunden in Christchurch.

Join the discussion:

You must be logged in to post a comment.

Archiv

Copyright © Neuseeland eZine. All rights reserved.